Wann immer Anna Gäste zu betreuen hatte, war der Besuch des Vulkans der Höhepunkt ihres Programmes. Die Landschaft erfaßte die Menschen und schrieb sich auf ihre Pupillen, in ihre Gehörgänge und auf die Haut. Die Zunge schmeckte den Wind und die Nase den Schwefel. Der Vulkan verdrängte Gefühle und Gedanken, die unten in der Ebene noch wichtig gewesen waren. Anna hatte beobachtet, daß ihre Begleiter, auf sich selbst zurückgeworfen, zu schweigen begannen. (S. 25f.)
"Der Berg ist doch nur Kulisse für etwas anderes. Du provozierst Leute, als wäre es ein Wettbewerb, ihre Schwachstellen zu treffen."
Hendrich hatte seine Augen geöffnet und Marcello beobachtet. Jetzt lag sein Blick auf Annas Gesicht. Neugierig und ruhig.
"Marcello, es geht nicht darum, einen Pfad zu beschreiten, sondern darum, ein Motiv mit dem anderen Motiv zu verbinden."
"Was sind deine Motive?"
"Meine Motive?" Sie sprach zu Marcello, sah aber zu Heindrich hinüber:
"Mich interessiert das Entstehen von etwas vorgeblich Neuem, das aber nur zusammengesetzt ist aus alten Versatzstücken. Und mich interessiert das Zerfallen von etwas Ganzem in Verschiedenes."
(S. 86)
(c) 1998, Milena, Wien.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.