Katalog zur gleichnamigen Ausstellung des Deutschen Literaturarchivs in Verbindung mit dem Präsidialdepartement der Stadt Zürich im Schiller-Nationalmuseum Marbach/ Neckar (10. Mai - 26. Oktober 1997) und im Stadthaus Zürich (Ende Januar bis Mitte März 1998).
Marbach / Neckar: Deutsche Schillergesellschaft, 1997.
(Marbacher Kataloge. 50). 607 S.; 293 Abb.; brosch; DM 40.-.
ISBN 3-929146-66-5.
Der Katalog zur diesjährigen Jahresausstellung des Deutschen Literaturarchivs in Marbach - ein nicht nur dem Umschlag nach schillerndes Programm für Anspruchsvolle(s). Und auch: ein "bibeldickes" Buch mit rund 700 Seiten zum "Auf-die-Achsel-stemmen" (Rolf Michaelis, "Die Zeit", 16. 5. 1997)
In gewohnt gediegener, sorgfältig erarbeiteter und gestalteter Aufmachung, mit wunderbaren Faksimiles und Abbildungen, widmet sich der Ausstellungskatalog Celans Übersetzertätigkeit. Das Team von Celan-Forschern um den Leiter der Bonner Celan-Ausgabe Axel Gellhaus, hat einen opulent-kulinarischen Band zu einem Aspekt des Celanschen Werkes erstellt, die gerne als Rand- oder Begleiterscheinung gesehen wird. Dabei hat Celan aus sieben Sprachen ins Deutsche übersetzt - "Fergendienst", übertitelt Axel Gellhaus seine einleitenden Gedanken. Celan hat seine Übersetzungstätigkeit akribisch dokumentiert. Seit 1989 befinden sich dieser schriftliche Nachlaß und die Bibliothek Celans in Marbach, und so konnte diese Ausstellung aus dem Vollen noch unveröffentlichter Materialien schöpfen.
"Es galt also, die papierenen Spuren ins Leben zurückzuübersetzen, zu fragen, was den Dichter bewegt hat, diesen oder jenen Autor in die deutsche Sprache hineinzutragen. Fragt man also nicht nur nach Texten, sondern nach existentiellen Motiven, beginnen die Materialien Geschichten und - ja - Geschichte zu erzählen." (S. 10f.)
Erzählt wird so die Geschichte Celans im Spannungsfeld des Über-setzens zwischen Fremdheit und Nähe - diese titelgebenden Worte entstammen einer von Celan geplanten Anthologie (siehe "Poetologie des Übersetzens", S. 389f.). Seine Übersetzungen ergeben "eine persönliche und doch repräsentative Anthologie der Weltliteratur, ein Buch mit mehr als 30 Namen, von Shakespeare bis Rimbaud, von Alexander Blok bis Picasso, von Jehuda Halevi bis Eluard, Mandelstam und Ungaretti" (Kurt Oesterle, "Süddeutsche Zeitung", 13. 5. 1997). "Erholsam und befreiend" empfindet Tilman Krause ("Tagesspiegel", 24. 5. 1997) die Art und Weise, wie es in Marbach gelungen ist, das Fundament des Celanschen Übersetzens, sein "Programm der Begegnung" auszuleuchten.
Anerkennung zollt auch Thomas Diecks in der "Neuen Zürcher Zeitung" (27. 5. 1997) dem vielschichtigen Ausstellungskonzept: "Bei dem Versuch, Paul Celans übersetzerische Arbeiten periodisch zu akzentuieren, werden in dieser Ausstellung biographische Hintergründe wie auch Parallelen zum eigenen dichterischen Werk sichtbar. Berücksichtigt sind ferner [...] kaum bekannte Auftragsarbeiten, darunter die Übersetzungen zweier früher 'Maigrets' von Simenon" - weiters die Celan des Plagiats bezichtigende Goll-Affäre, seine gemeinsame Arbeit mit Henri Michaux und und und
Angesichts der Überfülle an Celan-Materialien und oft verwirrender Celan-Lektüre kommt vielleicht nicht nur Rolf Michaelis ("Die Zeit", 16. 5. 1997) ins Stöhnen: "Erkennen wir diesen Dicher nur, wenn wir ihn als 'Übersetzer' verstehen, zwischen deutscher und jüdischer Kultur, östlicher Tradition und westlicher Dichtung, mystischer Poesie und weltlicher Essayistik?"