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Evelyn Deutsch-Schreiner: Theater im "Wiederaufbau".

Zur Kulturpolitik im österreichischen Parteien- und Verbändestaat.
Wien: Sonderzahl, 2001.
412 S., mit Abb., öS 498.-.
ISBN 3-85449-156-5

Kampfplatz Theater. Daß in Österreich nicht nur auf der Bühne Konflikte ausgetragen, sondern dass auch gerne mittels der Bühne politische und weltanschauliche Kämpfe gefochten werden, hat man zu Zeiten, als Claus Peymann noch Burgtheaterdirektor war, des öfteren erlebt - am heftigsten als Thomas Bernhards "Heldenplatz" uraufgeführt wurde. Daran hat sich bis heute nichts geändert, Theater ist hierzulande mehr als bloß Theater, wie man heuer wieder bei den Salzburger Festspielen beobachten konnte. Dafür gibt es verschiedene Wurzeln, eine bisher kaum beachtete hat die Grazer Universitätsprofessorin für Dramaturgie, Theater- und Literaturgeschichte, Evelyn Deutsch-Schreiner, in ihrer umfangreichen wissenschaftlichen Arbeit Theater im "Wiederaufbau" grundlegend und gründlich erforscht: Das Theater und die Sozialpartnerschaft, jene graue Eminenz, durch die die Geschicke Österreichs abseits von Parlament und Öffentlichkeit im Konsens gelenkt wurden.

Nach 1945 wurde dem Theater eine hervorragende Stellung eingeräumt, man glaubte fest daran, Theater könne zur Formung des "neuen Menschen" führen. Wie dieser "neue Mensch" auszusehen habe und damit auch die Kunst, die ihn hervorbringen sollte, darin divergierten die Meinungen der Parteien. Es geht um das Theater als Propaganda- und Erziehungsinstrument: "Die Auseinandersetzung auf dem Felde des Theaters war Ersatz-Schauplatz für die ideologische Gegnerschaft der Parteien.", schreibt Deutsch-Schreiner und führt in der Folge die "sozialdemokratische Einflusssphäre" (SPÖ und ÖGB) vor, der es darum ging, Zugang zur Kunst für alle zu schaffen und sich dem konservativen bürgerlichen Bildungsprivileg breitenwirksam anzunähern. Die Kommunisten erproben das Theatermodell "Scala", zudem werden die Auswirkungen des Kalten Krieges beschrieben. In der "katholischen und die konservativen Domäne" kann man verfolgen, wie die ÖVP das Theater als bürgerliche Bastion verteidigte und an der längst unzeitgemäßen Form der kirchlichen Spiele fest hing. Ein weiteres Kapitel untersucht die "US-Propaganda in Österreich". Weil die Geschichte der politischen Einflussnahme vor allem eine Geschichte der Verhinderung wirklich zeitgemäßer Theaterformen war, behandelt ein Kapitel auch die Wiener Gruppe. Deutsch-Schreiner fasst den Theaterrahmen weit, wodurch auch der große Festzug der Pummerin im Jahr 1952 als katholische Machtinszenierung begriffen wird. Auch Massenspiele der Sozialisten und Umzüge werden ausführlich behandelt. Gerade dieser Weitblick schafft erstaunliche Zusammenhänge.

Besonders spannend, weil besonders bezeichnend, ist das Kapitel über eine offiziöse Einrichtung, die sich "Wiener Dramaturgie" nannte und bis Mitte der 60er Jahre aktiv war. Die "Wiener Dramaturgie" war zum Beispiel für die Generalthemen der Festwochen zuständig und stimmte die Spielpläne der Wiener Großbühnen aufeinander ab. Dem Kollegium gehörten neben Theaterleuten auch Journalisten an und es wurde ausgerechnet vom prominentem Nazi-Germanisten und Gründer des Instituts für Theaterwissenschaft, Heinz Kindermann, geleitet. Kindermann war im Zuge des Verbotsgesetzes nur kurz seines Postens enthoben worden, 1954 kehrte er aber schon wieder zurück und nahm viele wichtige Stellen im Kulturleben ein. Mit der "Wiener Dramaturgie" wurde Konkurrenz außer Kraft gesetzt. Kritische und politisch divergierende Theaterschaffende hatten weder eine Stimme noch Chancen, wahrgenommen zu werden. Die "Wiener Dramaturgie" teilte mehr oder minder still und heimlich alles "sozialpartnerschaftlich" auf.

Theater im "Wiederaufbau" ist aus einer Habilitation entstanden, was man dem gut recherchierten Buch, das angenehmerweise auch eine Haltung einnimmt und mögliche Alternativen (Wiener Gruppe!) andenkt, noch ansieht. Zur schnellen Information ist es weniger geeignet und manches (das Kirchenspiel der Laiengruppen) möchte man eigentlich gar nicht so genau wissen. Eine straffere Variante hätte als Veröffentlichung auch genügt, trotzdem ist man sehr froh über dieses Buch, das eine Lücke füllt, von der man gar nicht wußte, daß sie in dieser Form existiert.

 

Cerny Karin
3. September 2001

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