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Alexander Nitzberg: Farbenklavier.

Gedichte
S
uhrkamp Verlag
Berlin
2012
77
Seiten; gebunden; Euro 18,50.
ISBN 978-3-518-42277-9.

Link zur Leseprobe

Schöner als den Gedichteband „Farbenklavier“ von Alexander Nitzberg kann man ein Buch nicht herstellen und drucken. Das Suhrkamp-Produkt ist handwerklich einwandfrei und von Hermann Michels sowie Regina Göllner beeindruckend gestaltet, was nicht wirklich überrascht, zumal Hermann Michels im deutschsprachigen Raum seit Langem für besondere Buch-Umschlag-Qualität bekannt ist.

Der dreiundvierzigjährige - in Moskau geborene und in Wien lebende - Dichter Alexander Nitzberg kann mit diesem Anspruch nicht zu einhundert Prozent mithalten, und zwar aus einem einzigen Grund, er ist nicht uneingeschränkt derzeitig oder heutig, und will es gar nicht sein, er ist verspielt, fast versponnen, und doch nicht klassisch. Seine Gedichte erinnern im manierierten Schriftbild, beispielsweise mit Einzügen und Zentrierungen, mit kursiver Schrift und vielen Zeichen, an das noch pathetische neunzehnte Jahrhundert, seine Sprache klingt wie eine osteuropäische lingua franca, die ein Könner in das Deutsche unserer Zeit übertragen oder transferiert hat.

Das Gedichteschreiben sei das Übersetzen aus einer Sprache, die es nicht gibt, heißt es, und Alexander Nitzberg übersetzt nicht nur Majakowski und Puschkin aus dem Russischen, sondern auch seine Inspirationen ins Deutsche, was nur wenige, wie man ebenso weiß, beherrschen. Alexander Nitzberg kann es.
Das „Farbenklavier“, übrigens ein beneidenswert schöner Titel, besteht aus zwei Teilen, nämlich dem titelgebenden Kapitel und den „Verstreuten[n] Gedichte[n]“ sowie vielen, fast zu vielen Zitaten von Gottfried Benn über Puschkin bis Rilke (zum Beispiel mit den Versen „Die Mädchen bei den Zypressen/ zittern: Die Stunde beginnt,/ da sie nicht wissen, wessen/ alle Dinge sind.“ S. 51.). Nitzberg begibt sich mit der freiwillig eingewebten Konkurrenz der großen Dichter – offensichtlich bewusst – auf gefährliches Terrain. Dass er nicht scheitert, ist seinem poetischen Können zuzuschreiben, dem Lyrikgefühl und den dichterischen Intentionen. Peter Rühmkorf konstatiert mit Berechtigung einen „poetischen Gleichniszauber“.

Das „Farbenklavier“ ist eine tour d’horizon durch die Wahrnehmungswelt des lyrischen Subjekts, die bis zum Firmament und weiter führt, bis zu Venus und Saturn, oder zur „musikgewordne(n)/ Horoskopie“ (S. 17). „Selbst über zeitliche Klippen“ (S. 18) lässt uns der Dichter lesen und seine „interstellaren, astralen/ Töne leuchten polar“ (S. 58), weshalb der Verlag apodiktisch konstatiert, Alexander Nitzberg habe die „Interstellardichtung“ begründet.
Doch auch „donnernden Götterworten/ droht ein Verhallen im Raum“ (S. 46), was Nitzberg wohl für „falsche Gerüchte“ (S. 43) hält, denn er ist überzeugt: „Alles riskieren muß der/ Musiker.“ (S. 41.) Dabei könnte man mit ihm selbst fragen: „Weshalb also das Pathos?/ Ist das Kleine nicht groß?/ Brauchen wir heute noch Catos/ und Ciceros?“ (S. 38.)

Keine Frage, Alexander Nitzberg hat in seiner Lyrikwelt eine eigene, mag sein besondere, Sprache und hantiert mit den Metaphern, salopp ausgedrückt, locker, was insgesamt schnell eine Lesbarkeit herstellt, aber ebenso zum Nachdenken auffordert, weil in und zwischen den Zeilen viel an Information, Geschichte und Tradition mitgeliefert wird. „Es bleibt die Schwingung/ im Ton“ (S. 16), wir werden auf „Lauter verstreute Spuren“ (S. 20) aufmerksam, da und dort sozusagen auf einen „stillen Akkord“ (S. 51).

Alexander Nitzberg ist mit Sicherheit ein neuer Ton in der österreichischen Lyrik, jedenfalls ein – mit diesem Klang – bisher nicht gehörter, wobei slawische Sprachnuancen palimpsestartig durchbrechen, weshalb man mit seinen Worten sagen könnte: „Wenn ich die formlose Masse,/ die ihren Ursprung vergaß/ einmal in Verse fasse/ herrscht wieder Maß.“ (S. 69.) Eine Strophe, die programmatisch für diesen Dichter sowie seine Farb- und Klangtriebwerke zitiert sei, weil sie sein Können exemplarisch ausdrückt.

Janko Ferk
27. Februar 2012

Originalbeitrag

Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

 
























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